/

 

Das Box-Kamera-Projekt der Galerie für Kulturkommunikation - eine Box-Kamera für jedes Lebensjahr des Galeristen

Ein berühmter Fotograf kommt in ein 3-Sterne Restaurant. Der Koch ist begeistert, denn es ist sein Lieblingsfotograf. Vor dem Essen kommt er zu ihm an den Tisch und sagt: „Sie machen so wundervolle Bilder, Sie haben bestimmt eine sehr gute Kamera!“
Nach dem Essen lässt der Fotograf den Koch an den Tisch rufen und sagt zu ihm: „Das Essen war vorzüglich, Sie haben bestimmt sehr gute Töpfe!“
Tanja Laudien

 

 

Box-Kameras waren in den 1930er Jahren allgemein verbreitet.hier
Ein Geschenk zu bestandenen Examina oder besonders schönen Anlässen wie einer Konfirmation, Hochzeit, oder runden Geburtstagen. 

Heute sind sie cool, ein Zeichen für einen interessanten Lebensstil und der denkbar größte Gegenentwurf zur alles nivellierenden Smartphone-Knipserei.

Wer mit einer Box-Kamera 1400 Bilder vom Geburtstag seines Neffen macht, ist zweifellos ein Sonderling. Mit digitalen Kameras ist dergleichen normal, am liebsten mit der Serienbildfunktion "wie ein Profi."

Während das Smartphone aalglatt seine Geschichte verbirgt (Kinderarbeit in China, 10 Euro Kaufpreis für Apple pro Stück und 1000 Euro Kaufpreis für den Apple-Kunden)  zeigt die Box Charakter und offenbart, ob sie aus Pappe, Sperrholz oder Blech gebaut wurde. Ganz unterschiedliche Lebenswirklichkeiten.

Manch eine wurde per Hand in Lammleder eingehüllt. Eine andere bunt bemalt.

Wenn Sie Lust haben sollten, sich eine Box-Kamera zu kaufen:
Es gilt Obacht zu behalten: der Begriff "Box-Kamera" ist im Wandel und wird mittlerweile auch für digitale Überwachungskameras verwendet. Hier zeigt sich ein ähnliches Schicksal wie bei dem Begriff der "Film-Kamera", der früher für Kameras für Bewegtbilder verwendet wurde und heute für analoge Kameras allgemein, was im Gebrauchtkamerasektor für seltsame Irritationen sorgen kann. So schnell ändern Worte ihre Bedeutung. Sieht man bei dem, was "Naturschutz" für die Grünen bedeutet: Rodung von Wäldern für Windmühlenparks.

Eine gute Übersicht über ca 1170 Box-Kameras finden Sie hier.

Das Smartphone ist teuer, die Box ist günstig zu kaufen. Sie hat auch nicht 3-17 Objektive eingebaut, sondern in der Regel nur ein einziges, welches gerne durch eine Vorsatzlinse für Portraits ab 1,5 Meter Abstand oder einen Gelb- oder Grün-Filter ergänzt wird. Manche Box-Kameras weisen sogar Anschlüsse für Drahtauslöser und Stativ auf, was gelegentlich notwendig ist. Eine Belichtungszeit von ca 1/30 Sekunde bei 80-100mm Brennweite fordert ihren Tribut.

Meine Lieblingsbox hat sogar zwei Stativanschlüsse: für deutsches und englisches Gewinde-Maß. Wieviele Smartphones mit Stativanschluß kennen Sie? Und erst recht: mit zweien?

Man sollte nicht versuchen, mit einer Box-Kamera zu telefonieren. Meist hat sie nur wenige Bedien-Elemente: einen Auslöser, einen Wahlhebel, mit dem man zwischen Langzeitbelichtungen und Momentaufnahmen wählen kann, einen Knebel, um den Film zu transportieren und einen Schließmechanismus.

Die Objektive bei Box-Kameras waren sehr einfach gehalten. Man sollte allerdings nicht glauben, daß die Objektive moderner Smartphones viel mehr taugen. Ihre Abbildungsfehler werden einfach weggerechnet.  Die ganze Welt auf Nullen und Einsen reduziert. Jedes Gehäuse wird mit einer Codierung ausgestattet, welches die Abbildungsfehler des "Objektivs" einfach weg-rechnet. Die haben nie existiert. Das ist digitale Realität.

Ein mir bekannter Professor für Nachrichtentechnik, Physiker, hat mal die Linse eines Smartphones ausgebaut und keinerlei verwertbare Bildinformationen gefunden. Man hat also praktisch nichts. Bei einer Box-Kamera hat man immerhin eine definierte Abbildungsqualität.

Die Box ist ehrlich.

Viele Box-Kameras haben eine einfache Meniskuslinse, bessere Modelle bis zu drei Linsen. Deren Abbildungsqualität ist so gut, daß sie leicht mit hochwertigeren Mittelformatkameras verwechselt werden kann.

Das Smartphone belichtet auch eine Zeit von 1/645 Sekunde exakt, die Box-Kamera hat meistens nur eine einzige Zeit von ca 1/30 bis 1/100 Sekunde.  In der Regel hat sie nur eine einzige Blende, manchmal aber auch bis zu drei unterschiedlich große Löcher, meist auf einem Blechrevolver eingestanzt. Der Bildausschnitt wird über kleine Spiegel gewählt, der Ausschnitt ist nur grob anvisierbar. Ob bei der Mutti am Strand noch die Beine sichtbar sind, ist erkennbar. Manchmal fehlt allerdings dafür der Kopf. Was aber auch nicht schlimm ist.

Seltsamerweise mißlingen Fotografien mit Box-Kameras selten, obwohl man praktisch keine Einstellmöglichkeiten hat. Die Ergebnisse machen Freude, können als Kontaktabzüge mit minimalen Mitteln selbst hergestellt werden. Box-Kameras lehren einen, daß Fototechnik und Belichtungsmesser maßlos überschätzt sind. Man erinnert sich: Eine Verdoppelung oder Halbierung der Belichtungszeit entspricht einer Blende Abweichung vom Idealwert. Moderne Filme stecken solche Fehlbelichtungen mühelos weg - außer Dia-Filmen, die man besser nicht in einer Box-Kamera verwendet.
In einer Zeit, in der wir alle mit völlig nichtswürdigen Bildern vom Frühstück, von Katzen und den eigenen Füßen am Strand zugeschüttet werden, hat die mangelnde Perfektion von Box-Kamerabildern einen ganz spezifischen Reiz, der auch von Fake-Apps für Smartphones nicht erreicht wird, die einen „vintage look“ generieren sollen.
Natürlich kann mit entsprechenden "Apps" aus der eigenen zerfledderten Hauskatze ein schöner wilder Löwe gestaltet werden. Das kann die Box-Kamera zugegebenermaßen nicht. Und sie kann auch nicht alte Cola-Dosen am Strand aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in ihre Bilder einbelichten.

Die Randunschärfe ist bei jedem Exemplar einer Box-Kamera individuell, während Digitalbilder alle gleich sind. Wer sich einmal eine Lochkamera-Emulation angeschaut hat, der weiß, daß die Bilder mit denen einer echten Lochkamera absolut nichts zu tun haben. Mit Box-Kameras verhält es sich genauso. Ich habe mehr als 50 Exemplare der Agfa Schulprämie-Box in meinem Bestand.

Jede hat ihren eigenen Charakter.

Die Gegensätze könnten größer nicht sein. Hier das echte archaische Foto, dort der Pixelhaufen. Hier ein aalglattes Plastikgehäuse, welches zehntausend Bilder speichert, dort die recht voluminöse Box mit maximal 12 Aufnahmen. Eher sind es acht, da die meisten Box-Kameras 6x9cm große Negative erstellen. Die meisten europäischen Box-Kameras verwenden den heute noch leicht zu erhaltenden 120er Rollfilm.

Jene aus den USA nutzen häufig 620er Film, der exakt die gleichen Abmessungen hat wie der 120er, aber andere Spulen. Passen also offiziell nicht zusammen. Man kann aber den Rand einer 120er Spule mit einem Nagelknipser entfernen. Dann paßt der Film auch in 620er Kameras. Mühseliges Umkonfektionieren auf 620er Spulen kann man sich also ersparen.

Es ist auffallend, wie viele professionelle Photographen versuchsweise zur Box-Kamera zurück kehren.

Das Schönste an Box-Kameras ist, daß man wirklich immer angesprochen wird, wenn man mit ihnen unterwegs ist.

Ich war wirklich noch nirgendwo mit einer meiner Box-Kameras unterwegs, ohne gute Gespräche gehabt zu haben. Vielfach voller Nostalgie, aber oft auch von Respekt geprägt, daß es Menschen gibt, die sich der Digitalisierung entziehen. Die Feststellung "aber es gibt doch keine Filme mehr" hört man nur von Leuten, die ihre Smartphones wie Schußwaffen am Gürtel hängen haben.  Ich verschenke sehr gerne Filme an Interessierte, wenn ich unterwegs bin. Es gibt davon mehr als genug.

Das Zweitschönste ist, daß Mehrfachbelichtungen mühelos möglich sind.
Box-Kameras machen Freude. Die Bilder, die mit ihnen entstanden sind, schaut man sich auch nach Jahren noch gerne an. Ein Stück Zeitlosigkeit in unserer hektischen Zeit.
Vorschlag: gehen Sie mit einer Box-Kamera durch eine unserer häßlich gewordenen Städte. Die Bilder werden diese Städte gleich schöner erscheinen lassen. Ohne alle Hipsterfilter des Smartphones.

Ich war kürzlich in Bautzen. Wurde dort auf der Straße angesprochen auf meine Box-Kamera. Und erhielt den guten Tip, sie als Schale zu verwenden, wenn man mal gerade auf dem Campingsplatz ist und Erbsensuppe verteilt werden muß und die vorhandenen Tellerchen nicht ausreichen. Nach Erbsengenuss einfach ausspülen.

Danke.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Fotografie mit Box-Kameras. Wenn Sie an dem Projekt mitarbeiten möchten, dann  freuen wir uns auf Ihre Zuschrift.


Sie sollten eigene Box-Kamerabilder zeigen wollen und mit der Veröffentlichung in der Galerie einverstanden sein. Eine Zensur jedweder Art findet nicht statt. Sie können zeigen was immer Sie möchten: Ihre nackte Frau in den 1960er Jahren, eigene Erfindungen, an die niemand glaubt. Eigene Gedichte... Einzige Bedingung ist: mit einer Box-Kamera photographiert.


Der Begriff der Box-Kamera wurde weit interpretiert, auch Pseudo-TLR werden hier benutzt werden.

Prinzipiell ist das Projekt "open end." Natürlich nur prinzipiell... Irgendwann ist der Galerist tot. Er glaubt nicht an eine Photographie nach dem Leben.
                                                       Rainer Strzolka, September 2023